Ein Tuch, das bleibt

Blick vom fertigen Bahrtuch zum Gewölbe des ehemaligen Betsaals in der Paramentik von Diakoneo © Entwurf und Foto Beate Baberske

 

Familientraditionen beginnen...

 

...mit einer Idee, die beim Lesen des Begleitbuches der Ausstellung „Zu Ende gewebt - Textilkunst für die letzte Reise“  der Marienberger Vereinigung für Paramentik e.V. entstand. Prof. em. Dr. Klaus Raschzok zitiert dort in seinem Aufsatz den Bibelvers Jesaja 38, 10 - 20: "Zu Ende gewebt hab ich mein Leben wie ein Weber; er schneidet mich ab vom Faden. ... ."(S. 38).

Im Buch demonstrieren Abbildungen von Objekten der Mitgliedswerkstätten, wie Textil dem Tabuthema Tod mit Haptik und Sinnlichkeit entgegenwirken kann. Indem man über den Stoff und die Gestaltung spricht, kommt das Tabuthema von ganz allein dazu. 

"Wir waren beeindruckt von den vielen vorgestellten Ideen und wussten endlich, was wir wollen: Einen Wandteppich, der dann bei der Beerdigung auf den Sarg gelegt wird."

Das im Buch auf Seite 124 beschriebene Konzept eines dreiteiligen Sarg- oder Bahrtuches von der Textilkünstlerin Angelika A. Beckmann (Werkstatt in Petersberg/Fulda) mit dem von Beate Baberske gewebten Mittelteil inspirierte das Ehepaar Schoch-Kilb dabei besonders. Bei ihrem Besuch zum Tag der offenen Tür am 1. Mai in Neuendettelsau sprachen sie Beate Baberske an und erzählten ihr von ihrer Idee. Eine Wandgestaltung in der speziellen Webtechnik von Beate Baberske soll bei Beerdigungen ihrer Familie auf ein separates Tuch für den Sarg, in das alle Namen der Verstorbenen nach und nach eingestickt werden, gelegt werden.

Der Entwurf wird umgesetzt, indem alles zusammengetragen wird, was dem Entwurf dient © Entwurf und Foto Beate Baberske
schwarze Fäden, schwarzer Filz und der Entwurf warten auf ihren Einsatz, am Fenster wächst der wilde Wein © Entwurf und Foto Beate Baberske

 

Dabei ist der Entwurf erst der Anfang einer Reihe von Entscheidungen, bei denen immer zwei Perspektiven im Blick behalten werden müssen: Wie sieht das Tuch als Bild an der Wand aus? Und: Wie liegt es auf dem Sarg? Auf einem Blatt Papier sieht ein schwarzes Tuch ja ganz nett aus, als Tuch mit 70 cm x 200 cm Größe bekommt es eine ganz andere Schwere.

 

Die Fäden sind gespannt, der Filz geschnitten - jetzt kann es los gehen © Entwurf und Foto Beate Baberske

 

Deshalb haben wir zusammen mit Michael Kilb auf das Webstück geschaut und stehen bei den Entscheidungen im engen Kontakt mit der Familie. Aus dem ganz schwarzen Stoff ist jetzt eine leichte Abstufung ins Grau geworden, blaue Quadrate mischen sich dezent unter die vier verschiedenen Grautöne. Reines Schwarz ist immer noch genug da.

Michael Kilb und Beate Baberske besprechen am Webstuhl, welche Farben die Filz-Plättchen und der Faden zum Weben haben soll © Entwurf Beate Baberske, Foto Rosalia Penzko

 

Eine Woche lang wird gewebt, anschließend gesäumt und gefüttert, gestickt und genäht. Schließlich müssen zwei Teile entstehen, die bei Bedarf zusammenpassen. Die rote Sprühflasche zum Befeuchten der Fläche beim Bügeln und Dämpfen setzt einen starken Akzent.

Blick in die Werkstatt: Das Tuch muss auf den Tisch fixiert nach dem Dämpfen trocknen © Entwurf und Foto Beate Baberske
Das handgewebte Mittelteil wird mit dem großen Tuch, mit dem es den Sarg abdecken wird, verbunden © Entwurf und Foto Beate Baberske

 

Als Christen glauben wir an die Auferstehung, und die wird spürbar durch Metallplättchen, die das Leben spiegeln, das den Wandbehang umgibt. Die eingefangenen Alltags-Bilder gehen dann mit auf die letzte Reise. Der Abschied wird sicher nicht leichter dadurch, aber individueller und familiärer auf jeden Fall. 

eingefangene Alltagsbilder auf der letzten Reise mitnehmen...

Schon beim Arbeiten ist das Leben im Tuch. Nicht nur die rote Flasche, sondern auch die grünen Blätter des wilden Weins spiegeln sich in den Edelstahlquadraten des Kreuzes. Sie fangen das Leben der Familie Tag für Tag ein und begleiten sie dann, auf dem Sarg liegend, immer auf ihrer letzten Reise.

Seit 2020 schmückt dieser Wandteppich nun das Wohnzimmer der Familie. Zur Beerdigung wird er dann lose auf ein großes, schwarzes Tuch gelegt, das den Sarg komplett abdeckt und seitlich alle Namen der verstorbenen Familienmitglieder trägt. Von Generation zu Generation wird es weiter gegeben, so wie man es von Taufkleidern schon kennt. Der kleine, aber feine Unterschied ist, dass die Taufkleider nach der Taufe wieder im Schrank liegen, das Familien-Bahrtuch dagegen am Leben teilnimmt und die Erinnerungen speichert.

 

Liebevoll schmückt ein Blumenband den Sarg © Foto privat

 

Seit Anfang 2022 trägt das Tuch nun zwei Namen. Das erneute Bearbeiten des Tuches verbindet uns mit der Familie und lässt uns ein kleines Stückchen dazugehören.

 

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