Sichtbar machen durch Verhüllen


Ein temporärer Vorhang
als Vorhang, der einen dreißig Zentimeter breiten Spalt läßt, verändert eine Kunst-Installation von Beate Baberske die Laurentiuskirche in Heroldsberg temporär © Entwurf Beate Baberske, Foto Uwe Niklas

„Kunst und Kreuz" als Predigtreihe

Den Startschuß für das Projekt gab Diakonin Simone Kunert-Kamusin Anfang Februar 2020, die zu diesem Zeitpunkt in Heroldsberg die Diakoneo-Kita leitete. Eine Predigtreihe zum Thema „Kunst und Kreuz" sollte einen künstlerischen Rahmen bekommen. Ich fand schon die Kirche architektonisch sehr spannend. Ein mittelalterlicher Turm mit Freskomalereien aus dem 13. Jh. empfängt den Besucher, dann schließt sich ein Mittelschiff aus dem Barock und ein Chorraum mit einem Riemenscheider-Kreuz aus der Gotik an.

Diese Dreiteilung hat bei mir sofort eine Idee erzeugt: ich möchte mit der Installation diese Besonderheit noch einmal betonen und gleichzeitig auf das Kirchenjahr verweisen, indem ich den Altar-Raum vom Rest der Kirche mit halbtransparenten Stoffen abtrenne: Die fünf Meter langen Bahnen sind weiß und grün-violett. 


Riemenschneider-Kreuz hinter dem Vorhang
der Blick aufs Riemenschneider-Kreuz bleibt zwischen dem Vorhang immer sichtbar © Entwurf Beate Baberske, Foto Uwe Niklas

Von Weitem sieht man nur violetten Stoff, wenn man sich aber durch die Installation hindurch bewegt, verwandelt sich dieses Violett in Grün. Damit stellt der Stoff eine Verbindung zwischen dem letzten Sonntag der Epiphaniaszeit, der mit grünen Paramenten begangen wird, und den Passions-Sonntagen her, die dann durch violetten Schmuck an Altar und Pult begleitet werden.

Wieviel Wachstum ist in der Bußzeit nötig?

Der Durchblick auf das Kruzifix am Altar bleibt, anders als bei den meisten Fastenverhüllungen, durch einen 30 cm breiten Spalt erhalten. Der Blick auf ihn wird nur „gestört“, es gibt Plätze, auf denen der Altar nicht mehr zu sehen ist, andere machen einen Durchblick auf Bereiche im Altarraum frei, die bisher nicht wahrgenommen wurden. Wenn ich in der Mitte der Kirche stehe, habe ich freien Blick auf das Kruzifix. Ist das auch im Leben so?


Blick von der Seite
auch von der Seite entstehen spanndende Durchblicke in den Altarraum © Entwurf Beate Baberske, Foto Uwe Niklas
Seitenblick auf die Kanzel
zwischen den bewegten Stoffen wird die Kanzel mit ihren Engeln sichtbar © Entwurf Beate Baberske, Foto Uwe Niklas
farbige Stoffe und Kirchenschiff
bei Bewegung verändern die Stoffe ihre Farbe, zwischen Grün und Violett changierend, trennen sie den Altarraum von der Gemeinde © Entwurf Beate Baberske, Foto Uwe Niklas

Spannende Bezüge stellten Pfarrer Auers und Diakonin Kunert-Kamusin in ihrem Gottesdienst her. Sowohl durch Worte als auch durch ihren immer wieder bewusst wechselnden Platz im Raum. Die Lesung fand hinter dem Vorhang statt. Die Worte vor dem Altar waren zwar zu hören, die Sprechende war aber nur schemenhaft zu erkennen. Erst auf der Kanzel wurde Pfarrer Auers wieder sichtbar für alle. Die Bibelstelle der Predigt behandelte unseren bruchstückhaften Blick auf Gott, der sich erst ändern wird, wenn wir ihm leibhaftig von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen.


Kruzifix im Licht
Das Sonnenlicht und der Vorhang erzeugen spanndende Einblicke in den vertrauten und doch neuen Kirchenraum © Entwurf Beate Baberske, Foto Uwe Niklas

Diese Freude am Experiment und an den neuen Situationen, die durch die sechs Stoffbahnen entstehen, hat mich sehr gefreut und bestärkt mich in meinem etwas „unkonventionellen“ Ansatz von einer Paramentik, die mit farbigen Stoffen den Raum temporär verändert.

Es gab die unterschiedlichsten Gottesdienste mit der Installation, die immer wieder neu konzipiert wurden. Dabei veränderte sich jedes Mal die Installation. Nicht nur durch die verschiedenen Tageszeiten und Lichtsituationen, sondern auch durch das Drapieren der Stoffe für die verschiedensten Anlässe, von der Passionsandacht über die Hochzeit bis zur Beerdigung. Ja, und schließlich war es auch während der Corona-Pandemie möglich, allein oder mit Abstand, die Kirche zu besuchen. 

Kirchenraum mit Empore
die besondere Architektur der Laurentiuskirche spürt man durch das Lichtspiel auf den Stoffen stärker als vorher © Entwurf Beate Baberske, Foto Uwe Niklas

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