So bunt wie das Leben, aber wie bunt genau?

Kirchenjahrkreis
die Grafik zeigt, wie die Farben sich auf das Jahr verteilen © Beate Baberske


Schwarz, Weiß oder vielleicht auch Pink? 

Wieso ändert sich die Farbe der Paramente?

Das Kirchenjahr ist bunt. Unsere Seh-Erfahrung lässt uns durch unsere kulturelle Prägung mit jeder Farbe ganz bestimmte Erlebnisse und Bilder verbinden, die durch deren Verwendung im Gottesdienst mit den Worten der Predigt denselben zu einem Erlebnis machen, bei dem all unsere Sinne so angesprochen werden, dass wir eine Erfahrung reicher und geistig gestärkt in die neue Woche gehen. Schon auf den Mosaiken in Ravenna kann man ein weißes Tuch auf dem Tisch des Herrn erkennen, das sich weiter entwickelte und je nach Region unterschiedlich farbig war. Papst Pius I. verordnete die einheitliche Verwendung der Farben im 16. Jh. an. Nach der Reformation entwickelte sich im lutherischen Bereich ein regional sehr unterschiedlicher, zum Teil auch noch die katholischen Traditionen fortführender Gebrauch. Seit dem 19. Jh. werden Altar, Kanzel und Lesepult in evangelischen Kirchen aus ihrem architektonischen Umfeld herausgehoben und ihrer Bedeutung entsprechend mit textilen Unikaten, den sogenannten Paramenten, markiert. Textile Kunst verändert Räume. Paramentik verändert Kirchenräume. Wie sehr Paramente dieser Aufgabe nachkommen, wird deutlich, wenn variierenden Farbformen die Botschaft Gottes in einem Kirchenraum über ein Jahr hinweg als wechselndes Raumerlebnis immer wieder neu erfinden.

Jenseits und Diesseits – im Übergang

Schwarz - steht für die Abwesenheit aller Farben und unterstreicht die Hoffnungslosigkeit, die die Jünger verspürt haben müssen, als Christus starb. Es ist die liturgische Farbe für Karfreitag und zum Toten- oder Ewigkeitssonntag, dem letzten Sonntag im Kirchenjahr. In vielen Gemeinden gibt es die Tendenz, zu den Trauergottesdiensten und am Ewigkeitssonntag im Raum nicht mehr das triste, hoffnungslose Schwarz zu verwenden, sondern die Gegenfarbe Weiß sozusagen als Erinnerung an die Auferstehung, den Unterschied, der uns Christen ein Fünkchen Hoffnung in dieser dunklen Stunde gibt, zu wählen. Die Liturgie sagt inzwischen: Weiß verwendet man am letzten Sonntag im Kirchenjahr, wenn dieser nicht zum Totengedenktag wird. Warum aber ausgerechnet Weiß?

die Farbe für Christus

Die Farbe Weiß ist schlicht die Farbe des Lichts, der Auferstehung und des Lebens. Sie steht exklusiv für Jesus Christus. Die Feste Weihnachten (Geburt Jesu), Epiphanias (Erscheinung des Herrn, aber auch Dreikönigstag), Ostern (Auferstehung Jesu), Christi Himmelfahrt, aber auch das Trinitatisfest (Dreifaltigkeit Gottes), Johannis und Michaelis werden durch die Addition edler, besonderer, nicht alltäglicher Materialien wie Gold, Edelstein oder Silber in ihrer Bedeutung unterstrichen. Weiß steht für die Unberührtheit im übertragenen Sinn. Deshalb finden wir weiße Berufskleidung bei Ärzten, Pflegekräften und in der Küche. Dort spielt Sauberkeit eine besondere Rolle. Auf weißer Kleidung sind Verunreinigungen sehr schnell zu sehen. Damit ist klar: nur besondere Anlässe oder außergewöhnliche Umstände lassen diese Kleidung zu.Damit alle am Gottesdienst Beteiligten als im Sinne Gottes agierende Wesen erkannt werden, hält sich seit dem Urchristentum die weiße Tunika, also die Albe, als Gewand für alle Getauften im Gottesdienst bis heute. Das Taufkleid war früher immer weiß, das Kommunionkleid ebenso, und auch das Brautkleid stand als weißes Kleid für die Unberührtheit und Reinheit der Braut. Es wirkt sehr festlich. Darüber hinaus strahlt ein weißes Kleid bei Licht besonders hell. Es kann im Sonnenlicht sogar blenden. Manche Übersetzungen verwenden auch das Wort „Durchscheinen“ in diesem Zusammenhang. Gott scheint durch Jesus hindurch und kommt somit auf die Erde. Von Jesu Auferstehung wird berichtet, wie die Frauen einem Engel in weiß begegnen (Matthäus 28,3). In der Offenbarung des Johannes sitzt Gott selbst am Ende der Zeiten auf einem weißen Thron (Offenbarung 20,11). Nach seiner Verklärung hat Jesus weiße Kleidung (Matthäus 17,2). Als Bilder kommen Wolken, Dampf, Gischt und Schaum hinzu, vor allem aber der Schnee. Weiße Tiere in der Bibel sind die Taube als Symbol für den Heiligen Geist und das Lamm als Symbol für Jesus Christus. Aber Gott wirkt nicht allein durch seinen Sohn auf Erden, sondern auch durch den Heiligen Geist.

das Feuer, die Liebe, das Blut - die Farbe der Gemeinde

„Schade, dass Rot am seltensten gehängt wird“

bedauert eine Kirchgängerin. Und tatsächlich, nur die Farbe Schwarz seltener: sie ist einem einzigen Tag zugeordnet: dem Karfreitag. 

Die wichtigsten Assoziationen zu Rot sind Glut, Feuer und Blut, sie werden immer wieder als erstes genannt. Die psychischen Wirkungen sind stark anregend, erwärmend und belebend. In Goethes Farbenlehre ist Rot nicht nur Wärmestrahlung, sondern ‚Rot’ ist zugleich alles, was die Menschheit mit rotem Blut oder mit der roten Glut des Feuers erfahren kann. Und beim christlichen Abendmahl? Jesus sagt: „Nehmet hin und trinket, das ist mein Blut.“ Die Farbe erinnert an den Gedenktagen für Märtyrer daran, dass sie für ihren Glauben starben. Das Feuer ist Sinnbild des Göttlichen und ist Gott selbst: in allen Religionen erscheinen Götter als Feuerwolke. Moses sieht Gott als brennenden Dornenbusch. Pfingsten wird in Rot gefeiert. Der Heilige Geist erscheint als Flamme. Doch nicht nur die Liebe Gottes, sondern auch die unter den Menschen wird mit Rot assoziiert. Deswegen ist es die Farbe der Gemeindefeste, wie Konfirmation, Ordination, Hochzeit oder Kirchweih, und des Reformationstages. Alles in Allem aber nur 30 Tage im Jahr.

Vegetation und blühende Natur

Grün steht für Wiesen, Wald, blühende Natur, Vegetation, grüne Landschaft, aber auch schattige Dunkelheit des Waldes.Die psychische Wirkung von Grün wird als beruhigend, sanft, freundlich erlebt. Unsere Urerfahrungen verbinden diese Farbe mit Wachstum und Weiterentwicklung: Das Erlebnis des aufwachsenden, sich entwickelnden und schließlich Früchte tragenden Baumes prägt unser Grün-Erleben nachhaltig. Daran knüpft auch die Verwendung dieser Farbe in der Liturgie an. Unter den liturgischen Farben ist Grün die schlichteste und elementarste. Grün ist die Farbe aller Tage, die keine Feiertage oder Gedenktage sind. Sie begleitet zwei verhältnismäßig lange Zeitabschnitte: die Zeit nach Epiphanias und Trinitatis. Während Epiphanias das Ende der Weihnachtszeit und den Beginn des Osterfestkreises benennt, schließt sich die Trinitatiszeit an Pfingsten an und endet vor dem Ewigkeitssonntag. Beide Abschnitte enthalten Unterbrechungen und beide sind Überleitungen von einer Festzeit zu einer Bußzeit.

Abenddämmerung für sieben Wochen

Violett wird mit Abenddämmerung verbunden. Seine spannungsreiche, aber auch verbindende Wirkung zwischen den Ausdruckswerten des vitalen Rot und des transzendenten Blau kommt hierbei zur Geltung: Rot - die Farbe der Liebe und Wärme, Blau - kalt und fern wie der Himmel. Violett gilt außerdem als „Störfarbe“ und wirkt aufgrund seiner Dunkelheit, die von allen Farben dem Schwarz am nächsten ist, niederdrückend, sehnsüchtig und geradezu mystisch. In diese Sinneswahrnehmung passt die Buß- und Fastenzeit hinein, die als Vorbereitungszeit für die großen Festtage mit dem Thema des Wartens und Leidens und mit Ruhe, Besinnung und Nach-Innen-Gekehrtheit verbunden sind. Heute ist es nur noch das Violett in den Kirchen, das mit seiner Farbstimmung auf die eigentliche Bedeutung dieser Vorbereitungs-Zeiten verweist, im Alltag, besonders in den Kaufhäusern, ist alles schon in Weihnachts- oder Osterstimmung. Dabei gibt es in diesen beiden Zeiten schon „eingebaute“ Verweise mit einer eigenen Farbe auf das bald folgende Fest!

Freuet euch! In Rosa!

In der Zeit vor Weihnachten werden am 3. Advent „Gaudete“ Texte aus der Offenbarung des Johannes, aus Johannes dem Täufer und aus Jesaja gelesen, sie alle haben Verweischarakter auf das Kommende oder auf Licht. In der Passionszeit gibt es mit „Lätare“ das „Klein-Ostern“. An diesem Sonntag werden die Zweige an den Bäumen gebrochen und in eine Vase gestellt, damit sie bis Ostern Blüten und Blätter getrieben haben. Als Schmuck gibt es in Franken die Tradition der einen rosa und zwei violetten Schleifen, jede Schleife markiert die noch ausstehenden Passions-Sonntage. Außerdem gehören drei Brezen, das Gebäck mit der angedeuteten Gebetshaltung, an den Strauß. Neben der besonderen Farbe, bei der Violett durch Weiß „hindurch scheint“ und so zu Rosa wird, weil die Liebe überwiegt, ermöglicht die individuelle Gestaltung den Einstieg in das Gespräch über Farbe, Form, Symbol, Zahl oder die Haptik der Oberfläche. Alle darunter liegenden Themen kommen dann wie von selbst. Paramente schaffen Angebote. Immer wieder neu. Je nach Kirchenjahr empfängt uns im Kirchenraum eine festliche, erwartungsvolle, betörende oder eine traurige, gedämpfte Stimmung. Das allein kann Farbe!

Diakonische Schwester Beate Baberske, Diplomdesignerin Textilkunst (FH), künstlerische Leitung der Paramentik Neuendettelsau

15.8.2018

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