Matthäuskirche München mal zwei


weißes Altarparament Matthäuskirche München
an hohen Festtagen schmückt dieses Parament den Altar der Bischofskirche in München © Entwurf Beate Baberske Foto Uwe Niklas

Immer zwei Anläufe, bis alles passt

Das ist ja nicht so selten, allerdings haben wir tatsächlich bei jeder(!) Farbe zwei Anläufe gebraucht, und zwar immer aus einem anderen Grund. Dieser Text ist übrigens auch Version zwei...

2005 gab es das erste Treffen: der Bestand des Paramentenschrankes wurde vor Ort in Augenschein genommen, Gestaltungsvarianten und Technologien erörtert. Ungewöhnlicherweise lag die oberste Priorität bei den roten Paramenten, obwohl auch die grünen Paramente der Wachstumszeiten in ihrer Machart und Farbe an Altar, Lesepult und Kanzel unterschiedlich waren. Als Bischofskirche steht St. Matthäus hauptsächlich bei Personalveränderungen in der ELKB oder bei Synoden im Rampenlicht, die im Kirchenjahr als Gemeindefeste mit der Farbe Rot gefeiert werden. 

rotes Kanzelparament Matthäuskirche München
Blick auf das riesige Mosaik des Altarraums vom roten Kanzelparament aus gesehen © Entwurf Beate Baberske Foto Uwe Niklas

Unsere ersten Paramente bestanden aus einfarbigen Stoffen, glänzende und matte Oberflächen wurden von Japangold-Linien getrennt, die Farbpalette bewegte sich zwischen warmen Rot, Rotbraun und Orange und entsprach der des verwendeten Steins im Raum. Die Gestaltung lehnte sich an die der Mosaikwand an, das angedeutete Jakobskreuz oder die Sanduhr teilt alle drei Flächen der Paramente in unterschiedlicher Art und Weise. 

rotes Altarparament Matthäuskirche München
zur Bischofswahl und zur Synode schmückt dieses Parament den Altar der Matthäuskirche in München © Entwurf Beate Baberske Foto Uwe Niklas

Dieses Prinzip ist bis heute bei allen Paramenten zu finden. Allerdings wird es inzwischen ergänzt mit Strukturen, die sich jedes Mal ändern und den Steinstrukturen im Raum eine Referenz erweisen. In der letzten Bank verschmelzen sie natürlich zu eine Farbfläche, aber schon eine, (na gut) zehn Bänke davor ist die Struktur sichtbar und macht die Paramente lebendig.

Wie wäre es denn mit Grün?

Per Post kamen sechs Jahre später die Entwürfe für grüne Paramente in München an. Schließlich passten die ja schon beim ersten Kontakt nicht zusammen. Die Antwort aus München war Schweigen. Auf Nachfrage dann Fragen über Fragen zur Inhaltlichkeit des Entwurfes, die man zwar auch am Telefon erläutern kann, aber besser in der Runde miteinander diskutiert und dann gemeinsam in neue Formen gießt. Das haben wir dann auch gemacht, aber erst acht Jahre später. 

Zwei Paramente im Paket für´s Fernsehen

Schon vier Jahre nach den grünen Entwürfen kam die Frage nach Violett und Weiß für geplante Live-Übertragungen aus der Matthäuskirche im ZDF am Buß- und Bettag und dem dritten Programm an Weihnachten 2015. Beate Baberske entwickelte das Gestaltungskonzept der roten Paramente für Violett und Weiß weiter. 

Die violetten Paramente sollten mehr Ruhe ausstrahlen. Wieder ergeben Linien und Strukturen ein Motiv, diesmal aber nicht dynamisch, sondern rhythmisch statisch.

violettes Lesepult- und Altarparament in Matthäus München
das violette Lesepult- und Altarparament von der Seite gesehen © Entwurf Beate Baberske Foto Uwe Niklas

Das Licht in den Fenstern des himmlischen Jerusalems vom Mosaik bringt als brennende und erloschene Lampen  warmes, gelbes Licht und graue Asche in die dunkelvioletten Paramente der Vorbereitungszeiten. 

das violette Parament in Nahaufnahme
die Nahaufnahme zeigt, dass Webstruktur und Linien gedruckt sind © Entwurf Beate Baberske Foto Uwe Niklas

Hellviolette Linien werden zu Dornenkrone und Weg. Den Rhythmus vieler Altarstufen greifen waagerechte Linien auf dem Altarparament auf. Treppensteigen als Weg, der beschwerlich werden kann. 

Beschwerlicher Weg in die Kirche

Das Paket mit allen violetten und weißen Paramenten ist einfach nicht in der Kirche angekommen. Der Postbote hat das Paket wieder mitgenommen, als er im Vorraum der Kirche keinen Menschen antraf. Oder so ähnlich. Das Parament war wieder in irgendeinem Postauto zur erneuten Zustellung am nächsten Werktag, der Fernsehgottesdienst war aber schon morgen, am Feiertag. Hinter der Tür, also in der Kirche, warteten mindestens zwei Personen auf das Paket, den ganzen Tag. Jetzt war es weg. Von der Post-Maschine verschluckt und erst wieder da, wenn das Monster, Entschuldigung, die Maschine es gut gekaut, eingespeichelt, heruntergeschluckt, verdaut, bewegt und irgendwann, um genau zu sein, in drei Tagen, wieder ausgespuckt hat. 

Aber eine Fernsehgottesdienst ohne Paramente? Geht nicht. Die Lösung? Glücklicherweise hatten wir beim Bedrucken der Stoffe einen Fehler gemacht und die Paramente zwei Mal gedruckt. Die erste, fehlerhafte Fassung lag in der Paramentenwerkstatt im Schrank und wurde nun in einer Nachtschicht provisorisch hergerichtet, von Rosalia Penzko persönlich am Morgen des Buß- und Bettages nach München gefahren und vor Beginn des Gottesdienstes aufgehängt. Dass die Paramente etwas kleiner waren, ist Niemanden aufgefallen. Gott sei Dank! 

Grundsatzfragen bei den weißen Paramenten

Im Laufe der nächsten Woche stellte die Post dann das Paket zu und die weißen Paramente konnten ein wenig liegen, bis sie an Weihnachten aufgehängt wurden. Vorab gab es bei der Gestaltung hier einen größeren Gesprächsbedarf. Die Künstlerin Beate Baberske erinnert sich:

Bei dem Treffen vor Ort hatte ich einige Gänsehaut-Momente, die werde ich meinen Lebtag nicht vergessen!

Die Runde hat gestritten um die Motive, um die Rolle des Schmerzes und der Schuld. Glanz und Herrlichkeit ja, aber um welchen Preis? Christus hat sein Blut gegeben. Die Kirche wurde neu gebaut, weil ihre Vorgängerin im Krieg zerstört wurde, die Paramente haben teilweise den Krieg überlebt und hängen jetzt im Paramentenschrank, weil sie stilistisch nicht in die Nachkriegskirche passen... 

rote Linien auf dem weißen Altarparament
an das vergossene Blut erinnern rote Linien auf dem weißen Altarparament © Entwurf Beate Baberske Foto Uwe Niklas


Wieviel Glanz verträgt diese Kirche, wie stark darf das Blut, das vergossen wurde, auf dem weißen Parament eine Rolle spielen? Reicht es, wenn wir Kerzen sehen, oder sind es auch drei Zelte, die an die Wanderung durch die Wüste erinnern? 

rote Linien auf dem weißen Kanzelparament
beim Blick vom Kanzelparament zum Mosaik sieht man die Verbindung, die durch rote Linien hergestellt wird © Entwurf Beate Baberske Foto Uwe Niklas

Am Ende kam eine Kirchenvorsteherin, die den Blumenschmuck gerade für den Gottesdienst hergerichtet hat und immer mit einem Ohr bei uns war, um die Ecke und eröffnete mit ihrem Satz eine noch überhaupt nicht gesehene Perspektive:

Also für mich sind das drei Engel, die da stehen!

weißes Altarparament Matthäuskirche München
vom Pult aus gesehen: die Engel auf dem weißen Altarparament © Entwurf Beate Baberske Foto Uwe Niklas

Aber wo ist diesmal der zweite Versuch? Ein wenig verzweifelt klang die Stimme von Pfarrer von Segnitz am Telefon schon, als der Anruf kam. Irgendetwas stimmt mit dem Altarparament nicht, beim Befestigen gibt es Falten, die nicht schön aussehen. Oder ist der Meßner schuld? Zu klären ist das nur vor Ort. Zum Glück gab es einen Termin im Advent, bei dem die Künstlerin die neuen Entwürfe der Gemeinde vorstellen soll. Am Rande dann die Begutachtung und die Erkenntnis, dass der Meßner seine Arbeit sehr ordentlich macht und das Problem an einer ganz anderen Stelle verursacht wurde. 

Erst im Vergleich mit den anderen Paramenten stellte sich heraus, dass sich die Abstände der Druckknöpfe des aufgenähten Bandes bei der neuen Lieferung ein wenig geändert hatten, so, dass es bei der Verarbeitung nicht aufgefallen ist. Auf die Breite von mehr als einem Meter addierte sich dieser kleine Unterschied am Altar aber so, dass ein faltenfreies Montieren mit dem vorhandenen Gegenstück des alten Druckknopfbandes, das an der Altardecke angenäht war, unmöglich war. Die bereits vorhandenen Paramente mussten mit dem neuen Band ausgestattet werden. 

Ein Vorrat wurde angelegt, dass auch die zukünftigen Paramente mit dem passenden Band ausgestattet werden können. Zukünftige Paramente? Stimmt! Die grünen Entwürfe waren doch noch irgendwo! Allerdings dauerte es weitere vier Jahre, bis der Anruf 2019 kam: 

Wir brauchen einen Termin für Grün!

Grün, die zweite

grünes Altarparament Matthäuskirche München
Welche Fläche ist jetzt der Schatz im Acker? Wo sind jetzt die Ähren? Alle Fragen wurden aufgegriffen und eingearbeitet, Weintrauben wollen entdeckt werden © Entwurf Beate Baberske Foto Uwe Niklas

Diesmal kannten wir uns schon, als wir zur Beratung zusammen kamen. Ein wenig Wehmut schwang schon mit, als das Gespräch sich um Ähren, Weintrauben, Wege und den Schatz im Acker drehte. Am Ende versprach Beate Baberske der Runde um Pfarrer von Segnitz:

Ich verstecke den Weinstock im Parament, keine Angst, sie finden ihn!

Und wie das mit der Auferstehung in der Kirche ist, haben wir dann zusammen mit dem Fotografen Uwe Niklas herausgefunden. Er hat es geschafft, dieses Phänomen zum Bild zu machen. Ob es an der Orgelmusik lag, die das Fotoshooting begleitete?

vom Parament zum Kruzifix geschaut
Der Gekreuzigte springt über das grüne Parament © Entwurf Beate Baberske Foto Uwe Niklas

Das Karfreitags-Problem

Da es in Matthäus keine Trauergottesdienste gibt, werden die schwarzen Paramente nur an einem Tag im Jahr aufgelegt, an Karfreitag. Leider sind diese Paramente noch so, dass der gesamte Altar abgeräumt werden muss, um sie aufhängen zu können. Und das in der Karwoche, wo ohnehin schon viele Gottesdienste sind und am Gründonnerstag von Violett auf Weiß gewechselt werden muss! Dank (neuem) Druckknopfband ist das kein Problem, aber wegen einem Tag im Jahr Paramente anschaffen? 

schwarzer Schleier über Weiß
ein transparenter, schwarzer Stoff liegt über dem weißen Parament am Pult © Entwurf Beate Baberske Foto Uwe Niklas

Für die gefundene Lösung muss man erst einmal Fragen stellen: 

Wie erlebt man Trauer? Wie sind Menschen früher mit ihr umgegangen? 

Es gibt Beschreibungen, dass sich Trauernde Asche aufs Haupt gestreut haben. Schwarze Kleidung wird ein Jahr lang getragen. Witwen verschleiern ihr Gesicht. Trauer legt sich auch emotional wie ein Schleier über den Alltag. Nichts ist mehr, wie es war. Alltag wird zur Herausforderung, Rituale schmerzen. Erst nach einiger Zeit hebt sich der Schleier der Trauer wieder. Neue Rituale überschreiben die schmerzhaften. Die Momente werden weniger und das Positive hat wieder Platz im Leben. Warum soll dieser Schleier nicht materialisiert werden? 

Die Idee für diese kostengünstige Lösung kam der Künstlerin schon vor ein paar Jahren. Ab und zu wurde diese Form des schwarzen Paramentes bereits realisiert, in Matthäus München haben wir jetzt alle Kombinationsmöglichkeiten fotografiert und die genaue Beschreibung zu dieser Idee mit noch mehr Bildern gibt es in dem Artikel unter der Rubrik Paramentik-Wissen.

schwarzes Parament Matthäuskirche München
ein schwarzer Schleier liegt auch über dem weißen Parament an der Kanzel © Entwurf Beate Baberske Foto Uwe Niklas

Noch einmal alle Paramente im Überblick gibt es in der Bildergalerie.

Beate Baberske


Paramente im Überblick in der Bildergalerie

© Entwurf Beate Baberske, Fotos Uwe Niklas

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